Wolter v. Egan-Krieger
Der Bruchschneider von Isen
Schuldbekenntnisse eines Unbeteiligten
ISBN 978-3-8423-4529-4
204 Seiten
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Kurze Inhaltsangabe:
Im Aktenbestand des ersten
der beiden Freisinger Kinderhexenprozesse
(s. a. die Aufzeichnungen im Buch Gaukler ihrer Zeit) befindet
sich eine merkwürdige
Notiz über den dreizehnjährigen Hauptangeklagten Andreas Höffa, in der
er den Bruchschneider von
Isen erwähnt. Hier der betreffende
Abschnitt aus dem Verhör (der kursiv
hervorgehobene Text sind Originalzitate aus dem Archivbestand):
Nachdem
man den Verhafften wiederum entlassen wollen,
aber gesehen, daß er mit sich selbst rede, hat man ihn gefragt, was es
bedeutt,
der geantwortt:
„Er
höre jemand, nämlich den Pruchschneider von
Isen, herraussen in einem Häusl, namens Mathias, so nit zu Isen bleibt,
sondern
allweill herumreist; er seye ein Landsmann von ihme, sagt, er solle
seinen
Brauch halten und sich seinen Puckhlet halten, alsdann laßt er ihn
nichts tun,
damit ihm niemand nichts tun darf; damit er nit ums Leben khimbt; er
soll ihm
helfen vor Meiss und Fäckhlmachen, er mag nit Schand und Spott suchen
an seinem
Freund, höre dene noch allweill reden, sie wisset schon, wie sie
einander
helfen müssen, damit ihnen der Deuffel nit begegnet ...
Was dieser schafft, so tut er, Verhaffter,
soll ihn
vor einen Landsmann erkennen ...“
Andre wird vom
Inquisitionsrichter des Mäuse- und Ferkelmachens beschuldigt. Seine
Antwort
darauf:
„Habe seiner Lebtag keins
gemacht und lernet seiner Lebtag nichts solches mehr ...“
Das gleiche wegen der
Teufelsverschreibung:
„Niemals also geschehen!“
Verhaffter
verkehrt und
entzündet sich im Zorn, wird ganz rot im
Gesicht, und, nachdem man ihn mit Weihwasser gespritzt, wird er
wiederum ganz
bleich, drehet die Augen sehr stark im Kopf um ..
Anschließend setzt Andre ungefragt hinzu:
Der Pruchschneider, der ihn dazu getauft hat, hat ihms also geschafft, daß sie keine Meiss- und Fäckhlmacher seint. Dieses ist von Jugend auf gewest, daß sie aneinander helfen können, von den clain Buben, daß ihnen der Deuffel nit begegnen kann. Keine andere Zauberey haben sie nit als die lateinischen Haberkreudl, Hasenwurzl und Hasenblätl, daß sie aneinander helfen können, wanns den clainern Buben rufen wenn er stirbt, so kann er, Verhaffter, sein Pruchschneider Handwerk treiben ...“
Darauf habe sich
Andre wieder weggedreht. Nur noch ein Hauch sei seine Stimme gewesen:
„Er habe schon lange Zeit
etwas gehört, es ist Unser Frau ganz
schön zu ihm kommen und hat gesagt, es thue juchzen, wenn er stirbt ...
Er hat
sich Unser Lieben Frau nach Altötting verlobt, daß ihn der Deuffl nit
verführen
könne ...
Der Amtmann Aberl, den man zu
Traunstein nit gelitten, der die Leith
zum Deuffl führt, dem hat er nit getraut ...“
Das waren die letzten
Worte
Andres. Ohne Bewußtsein habe
man ihn dann heraufgetragen in seine Zelle, in der er wieder zu sich
kam. Nur einen Kommentar fügte
der Gerichtsschreiber noch an:
Hierüber dann, und weil
nichts sonnderes von diesem Geschwätz
abzunehmen gewest, hat man ihn mit neu geweihten Sachen versehen und
wiederum
geschlossen ins Gefenckhaus setzen lassen ...
Auf dieses "Geschwätz" baut das Buch auf. Jener Bruchschneider
(seinerzeit ein Mediziner der niederen Heilkunst, auf Bruchleiden
spezialisiert) muß eine wichtige Bezugsperson des Buben gewesen sein,
vermutlich sogar die einzige Vertrauensperson in der fast zwei Jahre
währenden Haft des
Kindes. Und als solche Vertrauensperson dürfte der Bruchschneider kaum
tatenlos dem
verhängnisvollen Prozeßgeschehen zugesehen haben, sondern sich vielmehr
mit Gleichgesinnten verbündet haben, um das Schlimmste für die
inhaftierten Kinder abzuwenden. All das mußte natürlich im Verborgenen
bleiben, ohne die Aufmerksamkeit der fürstbischöflichen Institutionen
zu erregen, die bereits argwöhnisch wurden, sobald ein Zeuge Mitgefühl
den Kindern entgegenbrachte. Zum Glück für den Bruchschneider ist man
dem "Geschwätz" Andres nicht weiter nachgegangen.
Einiges im Aktenbestand
spricht dafür, daß sich in der Bevölkerung Widerstand gegen diese
Kinderhexenprozesse der Jahre 1715-1722 formierte. Natürlich hat man
das
obrigkeitlicherseits bemerkt und mit harten Konsequenzen gedroht, was jedoch nur
teilweise Wirkung zeigte. Jedenfalls geht die
Furcht vor Auflehnung des niederen und höheren Standes aus den
Dokumenten
unverkennbar hervor.
Diesen im Verborgenen geführten Kampf Einzelner gegen die
fürstbischöflichen Institutionen beschreibt das Buch. Die darin
genannten Personen sind sämtlich historisch, ihre Eigenheiten und
Widersprüchlichkeiten wurden aus den vorhandenen archivalischen
Unterlagen rekonstruiert.
Zurück zur Homepage